Frieden schaffen ohne Wasser

2022-11-07 15:55:56 By : Mr. Yan LIU

Theo Pauly hat ein spülungsfreies Toilettensystem entwickelt, das die Umwelt stark entlasten könnte, wenn’s funktioniert.

Fast alle tun es, aber niemand spricht gern darüber: mit Trinkwasser durch die Toilette spülen, was vom Verdauungsvorgang übrig blieb. Theo Pauly und Barbro Möhring in der Wetterau-Gemeinde Rockenberg hatten in dieser Angelegenheit lange Zeit ein reines Gewissen. „Wir haben seit 35 Jahren eine Regenwasserspülung hier im Haus“, sagt Pauly. Doch die Dürresommer 2018 und 2019 brachten das System an seine Grenzen.

Plötzlich fehlte Wasser für den Toilettenabzug. „Wir kriegen mit, wenn es in der Leitung gurgelt“, sagt Barbro Möhring. Das bedeutet: Jetzt ist das Regenwasser alle, jetzt muss mit Trinkwasser gespült werden. Und das gefiel dem Paar ganz und gar nicht.

Die Wetterau ist groß und weitläufig. Aber nicht so groß, dass der Kesselwagenzug hineinpasste, der nötig wäre, um den täglichen Verbrauch durch Wasserklosetts in Deutschland zu fassen. Er wäre 500 Kilometer lang, hat Theo Pauly errechnet. 3,3 Milliarden Liter besten Wassers jagen die Bundesbürgerinnen und Bundesbürger demnach durch den Lokus. Zwölf Supertanker voll. Jeden Tag. Und das in einer Zeit, in der sauberes Wasser immer rarer und wertvoller wird. In einer Zeit, in der Frankfurt und das Umland Konflikte über Wasserförderung und -nutzung austragen.

Theo Pauly hat da eine Idee. Er hat sogar schon ein Patent. „Ich habe die Lösung gefunden“, sagt er. Die Lösung für die erste flächendeckend verwendbare wasserlose Fäkalienentsorgung. Sie heißt Gleitrohrtoilette. „Die erste weltweit.“

Pauly, 65, engagiert sich seit 40 Jahren beruflich und privat für den Umwelt- und Klimaschutz, wie er sagt. Der Impuls kam schon früh. In den 1980er Jahren alarmierten das Atomreaktorunglück von Tschernobyl und das befürchtete Waldsterben die Menschen. Holzbaustudent Pauly fragte seinen Professor: „Und was machen wir, wenn es in Zukunft keinen Wald mehr gibt?“ Der Wissenschaft fielen damals Lösungen für den sauren Regen ein – schnelle Lösungen, wie es sie für die heutigen globalen Probleme nicht mehr gibt. Und der Student gewann Erkenntnisse im Wahlpflichtfach „Umweltschutz in der Holzindustrie“. Aber nicht nur dort. „Ich habe in Australien gesehen, dass die Leute da gar nicht aufpassen auf ihr Land.“ Die Rohstoffe geplündert, Müll unsachgemäß gelagert – Probleme, die nicht nur auf dem fünften Kontinent größer und größer wurden. „Die Umwelt geht kaputt“, das prägte sich dem Ingenieur, Schreiner und Holzbauer ein. „In mir entwickelte sich ein Lebensziel: Ich wollte meinen Beitrag leisten für den Erhalt der natürlichen Grundlagen.“ In Hamburg lernte er seine Frau Barbro kennen, die dort ebenfalls im Umweltschutz tätig war.

Später machte sich Pauly selbstständig in der Umwelt- und Energietechnik, half beim Ausbau der Solar- und Passivhauskapazitäten, arbeitete für Kommunen als Sanierungsmanager – und verfolgt nun als Rentner seit dem vorigen Jahr verstärkt sein Projekt Cinureen. Das ist die Abkürzung für „Circle of nutriments / Renewable energy“ – deutsch etwa: Nährstoffkreislauf und erneuerbare Energie. Auch wenn es nicht direkt danach klingt, es geht ums Klosett.

Zum Welt-Toilettentag am 19. November will Theo Pauly seine Erfindung, das wasserlose Toilettensystem, der Öffentlichkeit vorstellen. Der 65-Jährige hat schon früher auf sich aufmerksam gemacht, als er etwa einen Weg aufzeigte, der die ständigen Ölwechsel in Automotoren überflüssig machte: mit einem Nebenstromölfilter.

Kompostierbare Windeln und das Toilettenpapier können bei der Erfindung des Rockenbergers einfach mit entsorgt werden, versichert er.

Online ist Pauly zu finden unter www.umweltenergiehaus.de

Pauly klappt den Holzdeckel der Toilette hoch. Drinnen sind zwei Kunststofffächer zu sehen, eines für das große, das andere für das kleine Geschäft. Hier herrscht Getrenntsammlung. In den hinteren Behälter stülpt Pauly eine selbstentwickelte Hygienetüte aus Seidenpapier und gibt Material hinein. Keine Angst – zu Vorführzwecken sind es Holzstücke. Der Ingenieur betätigt einen Hebel, und weg ist, was eben noch im Klo lag.

Wo ist es hin? Wir steigen die Treppe hinab in den Keller. Hinter der Holzwerkstatt gibt es eine weitere Tür. Dahinter zwei Behälter. Links einer, auf dem „Urin“ steht, mit Schlauch oben dran. Rechts eine Art Mülltonne mit einem Zugangsrohr. Daran angeschlossen ist eine Luftabsaugvorrichtung; es geht in der Tonne rechts vor allem darum, die Feuchtigkeit loszuwerden. „Nach drei Tagen ist sie von 70 Prozent auf 20 Prozent runter“, sagt Pauly. „Der Urin kann bleiben, wie er ist.“ Was ist, wenn man .... „wenn Sie Dünnpfiff haben?“, fragt er unkompliziert. „Ich habe es ausprobiert.“ Noch mal keine Angst: Mit Haferflockenbrei hat er es probiert. Die Hygienetüte hielt, das System tolerierte die zusätzliche Feuchtigkeit.

Was aber ist der Zauber in der Erfindung des Rockenbergers? „Wir haben hier unendlich viel Wasser gespart“, sagt er, „und das Endprodukt ist Dünger.“ Mit einem Schweizer Unternehmen hat Pauly vereinbart, dass es das flüssige Endprodukt kostenlos übernimmt und in Düngemittel verwandelt. Fürs Feststoffliche steht er mit einer Berliner Firma in Kontakt, die ihm bereits bescheinigt habe: „Herr Pauly, Sie sind bei der Forschung auf diesem Gebiet von allen, die das machen, am weitesten.“

Bisher werde jedes Kilogramm menschlicher Fäkalien „150 Kilometer weit durch die Gegend“ gefahren und verbrannt, sagt Pauly. Zum immensen Trinkwasserverbrauch kämen also enorme Transport- und Energiekosten – „Kläranlagen sind die größten Einzelenergieverbraucher der Kommunen“ – sowie der damit verbundene CO2-Ausstoß. Außerdem: Da bisher „alles durch ein und dasselbe Rohr“ komme, müssten Fest und Flüssig zurzeit aufwendig getrennt werden. Schlussfolgerung: „Die Lösung liegt vor dem Rohr.“ Getrenntsammlung eben.

Bleibt die Frage: Entscheidend ist, was hinten rauskommt – am Ende bleibt doch trotzdem etwas übrig, oder? Was geschieht damit? „Dieses Forschungsprojekt will nachweisen, dass das Endprodukt als Dünger verwendbar ist.“ In einer idealen Welt kämen daher künftig nicht nur Bio-, Verpackungs-, Papier- und Restmüllabfuhr, sondern es gäbe einen fünften Entsorgungszug, der in allen Haushalten die Fäkalientonne leert und zur Weiterverarbeitung für den Acker bringt.

Im nächsten Schritt soll der Prototyp im Hause Pauly nicht nur eine, sondern alle Toiletten umfassen. Und für den übernächsten will er mehrere Hausgemeinschaften gewinnen, die sich an den Tests beteiligen wollen. Dafür plant der Erfinder, die Politik einzubeziehen, um in Rockenberg und Umgebung mehrere Anlagen mit staatlicher Förderung zu bauen. Auch die Umweltverbände möchte er ins Boot holen – oder ins Bad, um im Bild zu bleiben. Die Berliner Partnerfirma soll auch schon dabei sein, eine Keramikversion der Gleitrohrtoilette zu entwickeln.