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2022-11-07 15:57:23 By : Mr. Allen Liu

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»Testen, testen, testen«, das sei das beste Mittel gegen Covid-19, sagte WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus am 16. März auf einer Pressekonferenz. Doch mit welchem Verfahren überhaupt? Und was soll man messen? Denn tatsächlich gibt es mehr als nur den einen Test auf das Sars-CoV-2. Es ist sogar so: Je weiter die Pandemie fortschreitet, umso mehr Testverfahren und Strategien entwickeln Fachleute.

Dadurch machen einige dieser Tests auch andere Aussagen als nur jene, dass das Virus in der Probe vorhanden ist. Einige sind schneller als bisherige Tests, mit anderen könnte man theoretisch vielfach mehr Menschen testen als bisher – und manche Tests könnten sogar die Frage klären, wie hoch die mysteriöse Dunkelziffer der unentdeckten Infizierten ist. Allerdings wohl erst nachträglich. Ein Überblick.

Die größten Hoffnungen für schnellere und effektivere Tests auf Sars-CoV-2 ruhen derzeit auf Antikörpertests. Diese kommen in kurzer Zeit zu einem Ergebnis, das in der Regel sehr zuverlässig ist – zum Beispiel funktioniert so der klassische Schwangerschaftstest. Man verwendet dazu spezielle Antikörper, die hochspezifisch und gezielt an Oberflächenproteine des Virus andocken; unter Umständen tun sie das so gezielt wie die Erbgutketten der PCR. An einer Farbreaktion erkennt man binnen weniger Minuten, ob ein Virus vorhanden ist. Ähnliche Antikörperfarbtests gibt es für Grippe.

Allerdings sind solche Test schwierig zu entwickeln. Anders als die kurzen, exakt passenden Erbgutstränge bei der RT-PCR sind Antikörper komplexe Moleküle, die man nicht so einfach im Internet bestellen kann. Bei ihnen ist die Gefahr außerdem größer, dass sie auch an die Antigene verwandter Coronaviren binden und bei diesen ebenfalls positive Ergebnisse liefern. Dennoch setzen viele Fachleute auf jene Art von Schnelltest – der möglicherweise schon in einigen Wochen und Monaten zur Verfügung steht.

Eine andere Art von Schnelltest soll dagegen Überblick verschaffen, wer die Krankheit schon hatte. Auch dabei spielen Antikörper eine wichtige Rolle, allerdings jene, die das Immunsystem während und nach der Erkrankung bildet. Fachleute wollen diese Immunmoleküle im Blut nachweisen.

Anhand dieser Moleküle wollen Fachleute sich einen Überblick verschaffen, wie weit sich das Virus in der Allgemeinbevölkerung tatsächlich verbreitet hat. Das könnte unter anderem die offene Frage nach der bisher umstrittenen Dunkelziffer unentdeckter Infektionen mit Sars-CoV-2 klären. Viele mathematische Modelle deuten darauf hin, dass sie relativ hoch sein könnte, verglichen mit der Zahl erkannter Infektionen.

Bei der Infektion entstehen verschiedene Arten von Antikörpern: Schon während der Infektion produziert das Immunsystem Immunglobulin M (IgM) und Immunglobulin A (IgA) als direkte Reaktion auf den Krankheitserreger. Ein solcher Test auf Antikörper ist ungeeignet, die Infektion bei akut Erkrankten sicher zu diagnostizieren.

Die Immunreaktion setzt erst eine Weile nach Eintreten der Symptome ein, so dass ein negativer Test keine Aussagekraft hat. Ein positiver Test allerdings zeigt: Hier war das Virus schon. Ein anderer Antikörper, Immunglobulin G (IgG), der sogar erst nach der Infektion entsteht, ist allerdings aus einem anderen Grund interessant: Er verrät dauerhafte Immunität gegen einen Krankheitserreger.

Bisher müssen auch solche Bluttests noch im Labor durchgeführt werden. Man nutzt dazu das biotechnisch hergestellte Oberflächenprotein des Virus, das die gesuchten Antikörper bindet – und einen weiteren Antikörper, der dann eine Farbreaktion auslöst. Es gibt schon jetzt solche Schnelltests, die – analog zum Schwangerschaftstest – binnen weniger Minuten mit einer Farbreaktion anzeigen, ob die entsprechenden Antikörper im Blut sind.

Insbesondere solche Schnelltests könnten verraten, wer bereits gegen das Virus immun ist und wer noch nicht – eine wertvolle Information in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, in denen Kontakt mit Infizierten unvermeidbar ist. Noch weiter geht die Idee, systematisch die ganze Bevölkerung zu testen und die schon Immunen zur Normalität zurückkehren zu lassen. Beim derzeitigen Stand ist jedoch fraglich, ob ein Antikörpertest hinreichend präzise für ein derartiges Screening ist. Keiner dieser Tests ist bisher validiert, also offiziell auf seine Genauigkeit geprüft worden.

Die am besten validierten und genauesten Tests gegen das Virus sind die RT-PCR-Tests, mit denen derzeit auf Covid-19 getestet wird. Diese auf Basis der Sars-CoV-2-Gensequenzen entwickelten Tests, darunter der eines Teams um Christian Drosten an der Berliner Charité, zeigen das Erbgut des Virus an. Die Abkürzung RT-PCR beschreibt den Ablauf dieses Verfahrens.

Im ersten Schritt, der Reversen Transkription (RT), wird die Virus-RNA in DNA übersetzt. Das ist nötig, weil der zweite Schritt, die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), nur mit DNA funktioniert. Kurze DNA-Stränge, Sonden genannt, die exakt an einzelne Bereiche des Viruserbguts binden, sorgen zusammen mit einem Protein namens Polymerase dafür, dass nur das Erbgut des Erregers exponentiell vervielfältigt wird. Wenn das passiert, setzt eine andere Komponente ein Leuchtsignal frei.

Welche Bereiche des Virusgenoms die DNA-Sonden erkennen, ist von Test zu Test verschieden; jener der Charité erkennt Regionen des für alle Coronaviren typischen E-Gens sowie RdRp, den Code für ein Enzym, das das Viruserbgut vervielfältigt. Wichtig ist, dass die gewählten Bereiche so spezifisch für Sars-CoV-2 sind, dass der Test zwar auf das gesuchte Virus anspricht, nicht aber auf die ihm verwandten Viren wie Sars oder den humanen Coronaviren.

Die RT-PCR ist der empfindlichste der Coronavirus-Tests. Dank der exponentiellen Vervielfältigung spricht der Test schon auf sehr geringe Virusmengen an. Lediglich etwa fünf bis zehn Kopien der Virus-RNA benötigt dieses Verfahren für einen positiven Nachweis. Das Verfahren basiert auf einer gut bekannten und weit verbreiteten Technik, die binnen weniger Stunden das Resultat liefert. Wenn man die RNA des Virus im Rachen von einem Patienten mit Husten und Fieber findet, kann man davon ausgehen, dass es sich um Covid-19 handelt.

Allerdings gibt es einige Fallstricke – der Abstrich muss korrekt durchgeführt werden, was bei einem Selbsttest zu Hause nicht unbedingt gegeben ist. Außerdem kann die Virusmenge im Rachen während der Infektion stark schwanken – besonders später, wenn sich das Virus hauptsächlich in der Lunge befindet, erfasst das Wattestäbchen womöglich gar keine Viren mehr. Umgekehrt kann der Nachweis nach Ende der Erkrankung noch positiv sein und vorgaukeln, dass die Patientin noch andere infizieren kann. Doch darüber, wie ansteckend jemand ist, sagt der PCR-Test nichts aus.

Auch ob das Erbgut unbeschädigt ist und die Probe aktive Viren enthält, kann man auf diese Weise nicht erkennen. Das ist ebenso ein Problem für die Frage, wie lang das Virus auf Oberflächen überlebt. So basierte die Meldung, Sars-CoV-2 sei auf der Diamond Princess noch nach 17 Tagen nachgewiesen worden, auf dem PCR-Verfahren. Deswegen ist unklar, was der Befund tatsächlich bedeutet.

Ein großer Nachteil des PCR-Verfahrens für die Diagnose der Infektion ist, dass es mehrere zeitaufwändige Arbeitsschritte im Labor erfordert. Bevor die Vervielfältigung beginnen kann, muss die Virus-RNA aus dem Abstrich befreit und gereinigt werden. Für die RT-PCR selbst muss die Probe mehrmals erhitzt und wieder abgekühlt werden.

Um diesen Prozess zu beschleunigen, gibt es inzwischen mehrere vereinfachte Varianten der RT-PCR, die Kartuschentests. Dazu gehört auch der von Bosch vorgestellte Schnelltest, der Sars-CoV-2 zusammen mit anderen Viren wie Influenza bestimmt. Der Teststreifen wird dabei in eine Kartusche eingelegt, die alle nötigen Zutaten enthält. Diese Kartuschen werden von einem separaten Analysegerät automatisch verarbeitet. Das geht zwar schneller als der »händische« Ablauf im Labor, allerdings sind die Kapazitäten der Geräte meist beschränkt.

Außerdem benötigt man dazu immer noch ein speziell ausgerüstetes Labor. Deswegen suchen Fachleute nach einem echten Schnelltest, der in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus binnen Minuten Ergebnisse bringt. Einen solchen Test des Unternehmens Abbott hat die Lebensmittel- und Medikamentenbehörde (FDA) der USA jetzt zugelassen.

Nicht nur die Geschwindigkeit, auch die Zahl der gleichzeitig möglichen PCR-Tests lässt sich unter bestimmten Umständen deutlich erhöhen. Dazu kombiniert man eine größere Anzahl von Proben zu einer einzelnen, als Pool bezeichneten Probe; ist der Test für den Pool negativ, enthält keine einzige der beteiligten Proben das Virus. Man bekommt also mehr Tests für den Aufwand eines einzigen. Ist der Test eines Pools positiv, testet man alle Personen des Pools einzeln.

Durch dieses Verfahren kann man mit der gleichen Anzahl Tests ein Vielfaches der normalerweise möglichen Tests durchführen. Die Methode ist jedoch nur dann effektiv, wenn der Anteil der Infizierten an den Proben nicht zu groß wird. Laut einer Analyse zweier Forscher an der medizinischen Universität Wien kann man bei einer Infektionsrate von 0,1 Prozent die gleiche Anzahl Proben mit einem Fünfzehntel der Tests analysieren.

Sind dagegen im Schnitt mehr als zehn Prozent der Getesteten infiziert, wird das Verfahren ineffizient. Das bedeutet allerdings, dass man in vielen Ländern die bisherigen Proben nicht effektiv poolen könnte. Speziell in schwer betroffenen Ländern ist ein hoher Prozentsatz der Proben positiv. Auch in Deutschland liegt der Anteil der positiven Tests bisher zwischen fünf und zehn Prozent, so dass nicht ganz klar ist, in welchem Ausmaß die Technik hier umgesetzt werden kann.

Keiner der Tests kann unterscheiden, ob man es mit ansteckendem Sars-CoV-2 zu tun hat oder nur mit den zerstörten Resten von Viruspartikeln oder infizierten Zellen. Etwa bei Gesundeten, bei denen die üblichen Tests noch mehrere Tage danach anschlagen. Bedeutet das, dass die Patienten nach wie vor ansteckend sind? Gleiches gilt für Viren, die man auf Oberflächen entdeckt. Sind sie noch infektiös? Um das zu wissen, muss man es ausprobieren.

Profis lecken dazu aber nicht die Türklinken ab, sondern infizieren eine geeignete Zellkultur mit der Probe. Das Virus zerstört die Zellen – und das sieht man im Mikroskop. Zusätzlich bestimmt man dabei in der Flüssigkeit über der Zellkultur mittels PCR die Mengen an Virus-RNA. Damit kann man das Virus eindeutig identifizieren. Auch die Proteine des Virus kann man mit markierten Antikörpern auf der Oberfläche infizierter Zellen nachweisen – unter dem Mikroskop sieht man dann nicht nur die zerstörten Zellen, sondern auch die »Zombiefizierten«, die zwar noch leben, bei denen aber schon das Virus die Kontrolle übernommen hat.

Der Nachweis des Sars-CoV-2 in Zellkultur ist der genaueste, aber auch der langsamste und aufwendigste Test. Für andere Anwendungen, wie zum Beispiel Schnelltests auf Covid-19 im Krankenhaus, müssen Tests vor allem schnelle Resultate vor Ort liefern. Im Zweifel ist es dort auch erst einmal nicht so tragisch, wenn ein Patient zu viel positiv getestet wird, so lange keine Infizierten durchrutschen. Bei Reihenuntersuchungen in der Bevölkerung wiederum ist Genauigkeit extrem wichtig, denn selbst kleine Fehler werden von der hohen Zahl der Tests zu großen Ungenauigkeiten aufgeblasen. Deswegen wird es nie den einen ultimativen Covid-19-Test geben, der alle Probleme löst.

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