Y-Chromosom: Warum Männer früher sterben - NetDoktor.de

2022-11-07 15:56:39 By : Ms. AVA JIA

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

Wenn Männer altern, verliert ein Teil ihrer weißen Blutkörperchen sein Y-Chromosom. Übrig bleibt ein X-Chromosom. Dramatisch scheint das erstmal nicht – denn die Funktionen des Y-Chromosoms sind auf den ersten Blick überschaubar.

Seine Hauptaufgabe ist es, sich in die Embryonalentwicklung einzuklinken. Hier bewirkt es, dass der Fötus unter anderem Hoden, Prostata und Penis ausbildet beziehungsweise dass der Körper den nötigen testosterongeprägten Hormonmix für die Männlichkeit bereitstellt.

Nun zeigt eine Studie, dass der Verlust der Winzlinge in den Blutzellen eine Erklärung dafür bieten könnte, dass Männer weniger lange leben als Frauen. Im Schnitt macht die Differenz nach aktuellen Prognosen immerhin drei Jahre aus. Zwar gibt es hierfür auch andere Erklärungen – sie reichen von höherer Risikobereitschaft der Männer über einen ungesünderen Lebensstil, Arztmuffeligkeit bis hin zu geringeren Dosen des herzschützenden Östrogens und einem schlechteren Immunschutz.

Doch fehlt einem Teil der Zellen das Y-Chromosom, kann das offenbar weitere gesundheitliche Konsequenzen haben. Der Verlust betrifft vor allem die Stammzellen des Knochenmarks – und damit die weißen Blutkörperchen, die hier gebildet werden. Mediziner bezeichnen dieses Phänomen des Chromosomenverlusts in einem Teil der Körperzellen als mLOY („mosaic loss of chromosome Y“). Es ist die häufigste Chromosomenveränderung bei erwachsenen Männern.

Die aktuelle Studie zeigt nun: Bei Männern, bei denen beispielsweise 40 Prozent der Blutstammzellen das Y-Chromosom fehlte, beobachteten die Forschenden ein um rund 41 Prozent höheres Sterblichkeitsrisiko in den folgenden sieben Jahren. Konkret bedeutete das eine Reduktion der Lebenserwartung um 5,5 Jahre.

Insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen verliefen bei Männern mit y-Chromosomenverlust häufiger tödlich. Dazu gehörten Folgen von Bluthochdruck (rund 3,5-fach erhöhtes Sterberisiko), Herzinsuffizienz (2,5-fach erhöhtes Risiko) und akutes Herzversagen (1,7-faches Risiko).

Den Ursachen kamen die Forschenden auf die Spur, als sie bei männlichen Mäusen aus einem Teil der Blutstammzellen das Y-Chromosom herausschnitten. Die Lebenserwartung der Tiere verkürzte sich daraufhin.

Verursacher waren offenbar Fresszellen (Makrophagen), die aus dem Knochenmark ins Herz und andere Organe wandern. Hier erfüllen sie normalerweise wichtige Reparaturfunktionen. Bei Männern mit mLOY war ihre Arbeit offenbar aufgrund des fehlenden Y-Chromosoms gestört.

Insbesondere stellten die Forscher fest, dass die weißen Fresszellen den Wachstumsfaktor TGFβ1 im Herzgewebe aktivierten. Daraufhin entwickelte sich eine Fibrose des Herzmuskels: Dieser versteift und vernarbt und kann nicht mehr die volle Pumpleistung erfüllen.

Eine Gabe von Antikörpern gegen den Wachstumsfaktor konnte die Schäden am Herzen der Tiere bremsen.

Noch ist unklar, ob sich die Prozesse beim Menschen auf die gleiche Weise abspielen. Allerdings besteht hier eine Chance, Männern mit einer entsprechenden Veranlagung künftig eine Therapie anbieten zu können, die sie vor Schäden bewahren könnte.

Bis dahin und darüber hinaus bleibt die gängige, wenn auch anstrengendere aber wirksame Option Lebenszeit, und vor allem gesunde Lebenszeit zu gewinnen.

Christiane Fux studierte in Hamburg Journalismus und Psychologie. Seit 2001 schreibt die erfahrene Medizinredakteurin Magazinartikel, Nachrichten und Sachtexte zu allen denkbaren Gesundheitsthemen. Neben ihrer Arbeit für NetDoktor ist Christiane Fux auch in der Prosa unterwegs. 2012 erschien ihr erster Krimi, außerdem schreibt, entwirft und verlegt sie ihre eigenen Krimispiele.

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